#079 – Selbstbestimmung oder neoliberale Romantik? – Wie frei sind wir wirklich als Selbständige?

Mit welchen Vorstellungen sind wir eigentlich in die Selbständigkeit gestartet? Oder in Manus Fall 'reingewachsen'? Und ab welchem Punkt haben wir erkannt, dass diese romantisierten Ideale vielleicht doch nicht ganz der Realität entsprechen? In dieser Folge schauen wir mal wieder aus der Vogelperspektive auf das Thema Selbständigkeit und teilen persönliche Erfahrungen und Erkenntnisse dazu.

Transkript

Rachel: Guten Morgen!

Manu: Guten Morgen!

Rachel: Guten Morgen!

Manu: Guten Morgen!

Rachel: An diesem wunderschönen Dienstagmorgen.

Manu: Ja, da sind wir wieder ein bisschen spät dran.

Rachel: Ja, das Leben.

Manu: Das Leben.

Rachel: Dasch‘Lebe.

Manu: Dasch‘Lebe. Ja, ist gerade irgendwie wild.

Rachel: Ja, wir sind voll, Wir führen gerade so ein Jet-Setter-Dasein. Grad, dass wir uns jetzt überhaupt noch gesehen haben, bevor du jetzt zu deinem nächsten Termin reist.

Manu: Ich fahr gleich nach Würzburg. Würzburg. Würzburg.

Rachel: Würzburg. Schön da. Ich war da schon mal.

Manu: Ja? Ich bin gespannt. Ich weiß nicht, ob ich schon mal in Würzburg war, ehrlich gesagt.

Rachel: Ja, ich war da, wann war denn das? Ende September rum war ich da mal. Und es war sehr, sehr schön. Sehr, sehr schön. Ja? Sehr, sehr schön. Cool. Kleines, altes Städtchen. Und dann gemacht. Ich erinnere mich eigentlich nur an die Umgebung.

Rachel: War sehr viel Wein. Das war sehr schön.

Manu: Ja, dafür ist die Gegend ja eigentlich auch bekannt, oder? Glaub ich.

Rachel: Genau. Aber warum, Manu, warum fährst du nach Würzburg?

Manu: Weil ich dort auf dem Indie-Outpost Würzburg einen Vortrag über Game-Audio halte.

Rachel: Ja, freust du dich schon?

Manu: Ja, ja, jetzt freue ich mich schon.

Rachel: Echt?

Manu: Ja. Wirklich? Ja, voll, ja.

Rachel: Ja, voll gut. Gestern war noch so, ah, ich weiß es net. Hör mal, ich weiß es net. Ich weiß es net.

Manu: Doch, doch. Jetzt freue ich mich schon.

Rachel: Es war auch echt schön, dass du… Du bist den Vortrag ja gestern mit mir einmal durchgegangen. Und wirklich, als wir dann… Du hast mir dann danach genau erklärt, von wegen der und der Folie fühle ich mich dann auch wirklich irgendwie sicher und da ist dann einfach so daily, nachdem du die historischen Geschichten tatsächlich so ein bisschen abgearbeitet hast. Aber Das war voll, voll schön, dich da so in deinem Element zu erleben und gerade auch so dieses darüber, über deine Arbeit zu reden oder so die Hintergründe, Beispiele zu benennen, da richtig zu merken, so dass du eigentlich, wenn du dann losgaloppieren könntest, Klar, du hast jetzt für diesen Vortrag eben diesen zeitlichen Rahmen, aber eigentlich könntest du da irgendwie Stunden drüber reden.

Manu: Ja, ich glaube auch darauf muss ich mich so ein bisschen verlassen.

Rachel: Ja. Genau. Genau.

Manu: Genau.

Rachel: Genau und ich hatte letzte Woche meinen Vortag. Eigentlich witzig, dass das jetzt alles so quasi zeitgleich…

Manu: Kulminiert. Ja.

Rachel: Das war auch total schön. Ich hatte, ich war am Donnerstag in Ansbach.

Manu: Genau.

Rachel: Beim Media Lab, da wurde ich eingeladen und das Überthema war Hate Speech bei den Media Future Talks. Und da wurde ich angefragt, weil ich ja, ich hab bei Media Lab, die haben meine Abschlussarbeit, meine Masterarbeit gefördert. Und ich glaub, die wussten halt, ah, die hat irgendwas mit Social Media gemacht. Und das Thema hat ja auch was mit Social Media zu tun. Fragen wir sie mal, ob sie auch darüber reden würde. Und ich kleiner Fuchs, der ich bin, hab dann einfach gesagt, ja klar, ich rede einfach über meine Masterarbeit und dreh und wende und also klassisches Framing eigentlich. Ich rede über das gleiche Thema, aber ich setze es halt in eine andere Hüte auf. Ich verkleide das ein bisschen anders. Aber es war voll schön. Also Ich war auch sehr aufgeregt und hatte Angst, dass ich mich nicht gut genug vorbereitet habe.

Rachel: Aber das Setting war total schön, die haben das sehr gut organisiert. Danach gab es dann noch Pizza und Getränke. Und ja, es war ein schöner Austausch und das wünsche ich dir heute auch. Bei dir gibt’s davor Pizza und Getränke.

Manu: Was ich so ein bisschen fragwürdig finde, aber ja.

Rachel: Vielleicht ist der Ende danach noch ein Stück über, dass du dann, wenn du vorher aufgeregt bist, musst du dir so schön so ein Stück Pizza in die Manteltasche stechen und dann später so dran nippeln.

Manu: Ja, ich weiß auch nicht. Das ist so, ich finde vor allem, ich finde vor allem, das ist so bei Veranstaltungen, wenn es da irgendwie so Talks gibt oder Konzerte oder so. Ich finde das eigentlich immer, immer total schwierig, wenn es davor Essen gibt, weil das heißt auch immer, dass es Leute gibt, die sich das aufheben und dann während dem Talk oder während dem Konzert oder während der Aufführung dann noch essen.

Rachel: Ja, aber ich glaube, wenn es jetzt nicht irgendwie was so… 

Manu: Da schlägt bei mir der Sohn von einem Musiker durch, glaube ich.

Rachel: Eine Frechheit. Was fällt dir denn ein? Ja, aber ich meine, Das ist ja heute ein entspanntes Setting. Ja, das ist voll entspannt. 

Manu: Ich glaube auch. Ja, absolut.

Rachel: Bin ich gespannt, was du nächste Woche zu berichten hast.

Manu: Ich auch. Diesbezüglich. Ich auch.

Rachel: Hättest du das mal gedacht, dass du in deiner Selbstständigkeit anfängst, Vorträge zu halten?

Manu: Nee, auf keinen Fall. Nee, habe ich mich gar nicht gesehen. Also wirklich, gar nicht. Überhaupt nicht. Du schon, dich, ne?

Rachel: Ja. Ich dich auch. Ja, ich hoffe auch, dass das mehr wird.

Manu: Ja, glaub ich schon.

Rachel: Gibt es noch andere Sachen in deiner Selbstständigkeit, die du ursprünglich dachtest und die sich jetzt verändert haben? Wie ich krampfhaft versuche eine Überleitung zum Thema zu machen. 

Manu: Sollen wir das Thema mal nennen nochmal?

Rachel: Nee, wir haben es ja im Titel. Mit welchen Vorstellungen an Selbstständigkeit bist du denn? Du bist ja, ja, das ist schwer, ne? Das ist so, wir sind ja gar nicht, Wir sind ja mit unterschiedlichen Startpunkten reingegangen. Und ich glaube, wenn wir das Thema, das wir uns für die Folge vorgenommen haben, jetzt mal so aufmachen, müssen wir halt, glaube ich, schon über den Beginn reden, oder? Oder über unsere Vorstellung von Selbstständigkeit zu Beginn.

Manu: Können wir gerne machen.

Rachel: Wie war das bei dir? Du bist ja eigentlich so reingewachsen von Anfang an in die Selbstständigkeit.

Manu: Ja, ich bin ja mit Selbstständigkeit im Endeffekt aufgewachsen, weil meine Eltern waren selbstständig oder sind selbstständig und deswegen weiß ich nicht, kannte ich auch irgendwie dieses Lebensmodell besser als das Lebensmodell von Festangestellten und deswegen war das glaube ich mit keiner großen Transferleistung verbunden, mich für direkt von Anfang an für eine Selbstständigkeit zu entscheiden. Und dadurch, dass ich ja wirklich mit, ich habe ja mit 18 mit Schauspielerei angefangen und mit 17, 18, ich weiß gar nicht mehr genau. Und dann war ich ja sowieso schon freiberuflich unterwegs und dann war ich da drin. So. Und da war am Anfang kein große, waren keine großen Gedanken bei mir dabei, wie soll meine Selbstständigkeit aussehen, was heißt das eigentlich für mich, was erhoffe ich mir davon. Ich hatte glaube ich einfach so romantisierte Bilder im Kopf von, ja, ich mache das jetzt alles und dann mit Ende 20 toure ich durch Deutschland und spiele Musik auf Bühnen. Das war mein Traum. Das wollte ich unbedingt machen.

Rachel: Also hat bei dir so ein bisschen diese Romantisierung eigentlich anders stattgefunden, weil man könnte natürlich meinen, dass dadurch, dass du von Anfang an mit der Realität der Selbstständigkeit schon aufgewachsen bist, gerade auch mit der künstlerischen Selbstständigkeit deinen Eltern war, also im kreativen Bereich sehr nochmal ein bisschen, ich möchte fast sagen volatiler ist, als die unternehmerische Selbstständigkeit. Du bist ja schon mit der Realität aufgewachsen.

Manu: Ja, ja, absolut. Auch mit den Krisen. Hoch und in vielen, vielen Tiefs. Voll. Das ist auch immer wieder, das war ganz normal, dass es eigentlich jährlich so Phasen gab, wo meine Eltern erst mal nicht wussten, wie’s jetzt weitergeht. Weil keine Aufträge reinkamen oder so. 

Rachel: Oder Phasen, wo sehr, sehr viel dann gearbeitet wurde.

Manu: Und dann Phasen, genau, wo ich dann meinen Vater auch irgendwie gar nicht mehr gesehen hab. Also ich war schon entzaubert auf diesem, also was das betrifft, bin ich da schon völlig entzaubert reingestartet.

Rachel: Das war dann eher die Romantisierung der künstlerischen Laufbahn.

Manu: Genau, also auch so dieses, ich habe so ein ganz klares Bild im Kopf, aber ich mache mir keine Gedanken darüber, wie ich da hinkomme. Also so, ja, das ist mit Romantisierung gemeint. Ich war, ich habe das nicht, ich habe die Selbstständigkeit an sich nicht romantisiert. Mir war das absolut klar von Anfang an, dass es mega hart wird und mega anstrengend. Und ich meine, also gerade mein Vater hat auch immer gesagt, mach was anderes. 

Rachel: Aber hat er einen konkreten Vorschlag, was genau du anders machst?

Manu: Nee, natürlich nicht. Aber ich glaube, das kennen alle Kinder von Künstlern, dass das halt so der Standard setzt.

Rachel: Künstlerkinder. Ja.

Manu: Aber auf der anderen Seite muss man auch sagen, hat mich natürlich auch gut vorbereitet. Diese Abschreckungsmethode hat natürlich dann auch schon bei mir verursacht, Okay, das wird echt nicht einfach. Aber nichtsdestotrotz war halt so dieser romantisierte Gedanke so, ja, auf Bühnen stehen und so, aber ich mache mir keine Gedanken, wie ich da hinkomme. Oder nicht genug Gedanken. Natürlich schon Gedanken, aber nicht genug.

Rachel: Ja, war vielleicht dann auch die Jugendliche Naivität in dir.

Manu: Ja, vielleicht.

Rachel: Da warst du echt noch ein kleines Baby.

Manu: Auf jeden Fall. Auf jeden Fall. Und ich glaube, ich habe mich am Anfang meiner Selbstständigkeit immer viel zu sehr vom Urteil anderer Menschen abhängig gemacht und überhaupt von anderen Menschen abhängig gemacht. Ich habe immer geglaubt, Ich brauche ganz viele Leute mich rum, irgendwo hinzukommen. Und habe mich dann aber gerne selbst aufgegeben in den Momenten. Und dann war von meiner Vision eigentlich nichts mehr da.

Rachel: Und jetzt weißt du, zum Glück brauche ich nur Rachel,

Manu: Und wie war das bei dir?

Rachel: Ich habe gerade auch nochmal so ein bisschen überlegt. Also bei mir war es ja wirklich ein bewusster Schritt in die Selbstständigkeit.

Manu: Ja.

Rachel: Ähm, die jetzt auch schon fast, fast 5 Jahre, 4, 6 Jahre hinter mir liegt. Mhm. Ähm, ach, crazy. Ähm, Und das interessante ist ja, ich bin ja schon auch mit selbstständigen Eltern aufgewachsen. Also meine Mutter war immer angestellt Und als mein Dasein in der Patchwork-Familie quasi dazu gekommen ist, also mit meiner Stiefmutter und meinem Vater, ist mein Vater auch mit in diese Selbstständigkeit reingegangen. Also da hatte ich da schon so dieses, okay, ich hatte keine Eltern mehr, die beide diesen klassischen 9 to 5 gemacht haben. Aber es war schon jetzt auch nicht diese Art von Selbstständigkeit, die romantisiert, glorifiziert irgendwie in Medien oder Social Media dargestellt wird. Aber auch nicht die Kehrseite. Ich habe das jetzt in der Retrospektive nicht viel von der Arbeit meiner Eltern mitbekommen. So. Okay. Oder von meiner Stiefmutter, von meinem Vater, das so ein bisschen zu abstrahieren. Das hat viele verschiedene Gründe, auf die ich ein andermal eingehe, aber wenn ich an meine Selbstständigkeit gedacht habe oder so, okay, ich entscheide mich jetzt für die Selbstständigkeit, habe ich das nicht mit der Arbeit meiner Eltern in Verbindung gebracht. Das war für mich irgendwas komplett anderes, das lief unter einem anderen Wording irgendwie so.

Manu: Okay. Was ist dann Selbstständigkeit für dich?

Rachel: Und ich glaube für mich, als ich mich dann eben jetzt vor 6, ziemlich genau 6 Jahren, dann konkreter damit auseinandergesetzt habe, boah, ich habe an meinem Geburtstag vor 6 Jahren habe ich gekündigt. Oh stimmt. Das ist jetzt auch dann bald… 

Manu: Das ist schon wieder 6 Jahre her.

Rachel: Das ist so crazy. Und die Kündigung war ja so ziemlich aus dem Affekt und einfach nur, es war so eine… Die Selbstständigkeit hat mich… Ich weiß gerade, ich kann immer noch nicht ganz sagen, ob es ein Push- oder ein Pull-Effekt war. Ob ich einfach so sehr aus den Arbeitsverhältnissen, in denen ich vorher war, raus wollte. Und wie stark ich in die Selbstständigkeit rein wollte. Und ich glaube, dadurch hat sich bei mir dann schon so eine gewisse Romantisierung dargestellt. Vor allem, weil ich ja in der Situation war, ich war mit dir zusammen und habe dann schon so diese schönen Seiten der Selbstständigkeit, so dieses, damals war noch vor Corona, also vor der Homeoffice-Zeit, so dieses, du musst nicht morgens aufstehen, dich in die vollen S-Bahnen zu setzen, ins Büro zu fahren und einfach diese Freiheiten oder dann dich immer am Wochenende hinzusetzen oder so. Das muss ich sagen, hat mir schon sehr gut gefallen, dieses Bild, was ich bei dir gesehen habe.

Manu: Die positiven Aspekte der Selbstbestimmung.

Rachel: Genau, das irgendwie so zu sehen, das war schon, das hatte ich schon auch. Und ich glaube, ich hatte, ich hatte dann irgendwann so ein, Ich bin ja nicht mit einem kompletten fertigen Businessplan in die Selbstständigkeit gegangen, sondern mit so 1 groben Vorstellung. Hauptsache ich gehe jetzt raus aus der Anstellung und fange einfach mal an. So am 1.1. Und Ich glaube, in dieser Naivität hatte ich es dann eher so, dass ich mir dann in den ersten Wochen, Monaten dachte, so ein bisschen Es war auch so diese Girlboss-Feminismus-Ära. So, Okay, ich zieh das jetzt voll durch und das geht easy peasy. Und da irgendwie nur dran zu bleiben und dann in einem Jahr ist das schon alles total gesettelt und irgendwie auf dem Weg zu einem kleinen Team oder sowas. Also, und dann kam Corona. Und ich hab mich ja einfach in der Kultur- und Kreativwirtschaft selbstständig gemacht ursprünglich und das hat natürlich alles verändert von heute auf morgen.

Manu: Du hast so eine Realitätsklatsche bekommen.

Rachel: Und ich glaube das ist der Grund, weswegen ich dann relativ schnell aus dieser romantisierten Phase irgendwie raus bin. Und gemerkt habe, ja okay, aber Selbstständigkeit heißt jetzt in dem Fall tatsächlich einfach Anfragen annehmen, alles irgendwie machen, umsetzen, was irgendwie Bauchladentaktik. Genau, diese Bauchladentaktik, die ich lange gefahren bin. Und gleichzeitig mich dann überhaupt erst anzufangen, mich damit auseinanderzusetzen. Das war auch so diese Phase, wo ich dann, ich glaube schon auch stark durch die Auseinandersetzung mit dir und in unserer Beziehung ein bisschen einfach mehr dieses Sicherheitsgefühl zu haben, mich dann mit mir auseinanderzusetzen und zu merken, okay, was sind denn tatsächlich meine Bedürfnisse und was sind denn meine Wunschvorstellungen und wo will ich oder vor allem in der ersten Phase so, Wo hapert es denn eigentlich bei mir? Was kann ich denn eigentlich nicht leisten? Oder wo muss ich mich so verrenken? Und das ist eine Phase dieser Selbsterkundung, aus der ich auch noch nicht ganz raus bin. Mhm. Die glaube ich dazu führt, dass ich auch immer oder wir beide ja auch immer wieder Selbstständigkeit und diese Arbeitsstrukturen hinterfragen oder infrage stellen. Ja. So dass wir immer noch gucken, so okay, aber ich eigentlich habe ich doch ganz andere Bedürfnisse, mein Bedürfnis doch eigentlich den ganzen Tag über eine Wiese zu laufen, ein paar Bären zu sammeln und glücklich zu sein. Auch dieses Konzeptarbeiten immer wieder in Frage zu stellen. Ich glaube, da hat Corona einfach sehr früh dazu geführt, dass ich aus dieser Romantisierung raus bin. Und klar, ich hatte die Art von Selbstbestimmung, wann fang ich an, was sind die Arbeitszeiten, wo arbeite ich. Aber da hat man dann relativ schnell gemerkt, das sind eigentlich nur Peanuts im Vergleich zu der richtigen Meta-Ebenen-Arbeit, die da irgendwie stattfindet, wenn man sich mit seiner eigenen Selbstständigkeit auseinandersetzt.

Manu: Hm.

Rachel: Das war jetzt eine sehr lange Antwort für Eine sehr kurze Frage.

Manu: Nein, aber war gut, was du gesagt hast. Finde ich.

Rachel: Und ich meine schon, und ich glaube, deswegen haben wir letztendlich vor anderthalb Jahren auch diesen Podcast angefangen, dass wir uns schon immer wieder stark damit auseinandergesetzt haben, wie arbeiten wir eigentlich und ist das, was wir da machen, sind wir mittlerweile im 9-to-5, wo wir uns selber bezahlen? Oder leben wir das aus, was Selbstständigkeit eigentlich auch kann?

Manu: Ich glaube, das ist ja eigentlich das Kernthema der heutigen Folge. Also das ist ja genau, das steckt ja auch im Titel. Also ob das eine neoliberale Romantik ist oder ob das wirklich Selbstbestimmung ist, Selbstständigkeit. Und ich bin ganz ehrlich, ich bin gerade an dem Punkt, dass es für mich ehrlich gesagt, außer dass ich entscheiden kann, wie ich meinen Tag, vermeintlich entscheiden kann, wie ich meinen Tag gestalte, das ist ausschließlich neoliberale Romantik. Ich bin wirklich an einem Punkt angekommen, gerade in meiner Selbstständigkeit, wo ich viele Dinge entlarve, die ich auch mache in meiner Selbstständigkeit als absolut romantisierte Haltung zur Selbstständigkeit. Und ich glaube, weil wir über Corona auch geredet haben, ich glaube, dass auch diese Phase da viel gemacht hat. Also ich merke es ja auch in der Kreativwirtschaft. So mit Corona begann das, dass Leute weniger in Kreativarbeit investieren wollten und gleichzeitig aber dieser Markt auch so übersättigt wurde von Leuten, die sich während Corona dann gedacht haben, jetzt habe ich Zeit, jetzt schaffe ich mir irgendeinen Skill drauf und mache mich selbstständig mit diesem Skill. Und parallel dazu kam dann eben nach Corona jetzt eben diese KI-Welle. Und ich glaube, das sind alles so Faktoren, die dazu geführt haben, Also selbst wenn ich in 1 romantisierten Selbstständigkeit wäre, aber zumindest genügend Aufträge hätte, dann würde das glaube ich wieder ausgleichen. Aber dieser Faktor plus, dass ich eigentlich die ganze Zeit damit beschäftigt bin, mich selbst zu optimieren und mich gleichzeitig aber eigentlich auch selbst auszubeuten in meiner Selbstständigkeit, führt zu einem Teufelskreis, der tierisch ungesund ist. Und das alles aber unter dem Deckmantel, ich bin der freie Künstler, Ich bin so frei, weil ich bin selbstständig. Ich bin so selbstbestimmt. Und das ist eigentlich, sorry, eigentlich Quatsch. Also Selbstständigkeit hat relativ wenig mit Selbstbestimmung zu tun. Berufliche Selbstständigkeit. Weil wir immer noch in einem Gefüge agieren als Selbstständige, was uns enorm fordert, enorme Fahrbahnen aufdrückt, eben in Bezug auf Selbstoptimierung, was eigentlich keine Freiheit mehr lässt. Und das ist auch das, was ich ganz stark wahrnehme.

Rachel: Ja, es ist eigentlich eben wenn du jetzt dieses Selbstoptimieren, Selbstausbeutung, Arbeiten bis zur Erschöpfung, weil man einfach so dieses Grundgefühl hat, Selbstverwirklichung, Selbstverständlichkeit als Produktivitätserzählung, Also das Thema Leistung hatten wir auch immer wieder. Also dieses, du bist eigentlich nur wertvoll, wenn du dein Potenzial voll ausschöpfst und da bist du am Raubbau, am eigenen Selbstbetrieb betreibst.

Manu: Und perfiderweise kommt da noch on top in den kreativen Berufen, dass du bitte auch noch in kreative Vorleistung gehst, immer.

Rachel: Ja, da ist ja noch, da wird ja dann so eine prekäre Arbeitssituation, werden da ja noch viel krasser romantisiert, weil das da heißt, ja aber, dass du an deiner Leidenschaft arbeiten kannst, ist ja Lohn genug, du brauchst ja keine Sicherheit, du brauchst ja kein Geld, du lebst ja von Luft und Liebe.

Manu: Ja, genau.

Rachel: Und das ist auch da, finde ich, Das ist dann wie so unter einem Brennglas in der Kreativbranche und dann nochmal mehr, wenn es da künstlerische Arbeit geht. Aber ganz generell ist es ja die Schwierigkeit, Selbstständigkeit in der Wirtschaftsform, in dem Neoliberalismus, den wir haben, dass wir hier bei der Selbstständigkeit, das ist ja so ein bisschen auch im Namen drin, dass man das Gefühl hat, ja okay, da musst du dich heute auch alleine alles kümmern. Also ein System, das Verantwortung individualisiert. Da ist Selbstständigkeit natürlich eigentlich der absolute Höhepunkt. So alle Verantwortung liegt bei dir. Scheitern und Erfolg auch so. Aber auf der anderen Seite wird halt nicht gesehen, dass ganz, ganz viele Sachen oder ganz, ganz viele Berufe und Dienstleistungen etc. Eigentlich nur auf 1 selbstständigen Basis funktionieren.

Rachel: Also die wenigsten Unternehmen haben einen Fotografen in-house oder einen Musiker. Oder diese ganzen Sachen, wo halt irgendwie eine Selbstständigkeit vorausgesetzt wird. Und dann ja, letztendlich diese Verantwortung individualisieren. Und da finde ich, kommen wir dann eben auch schon relativ schnell an ein Thema, jetzt muss ich nochmal meine Notizen aufmachen, Dass dieses Individuelle oder das Individuum der Einzelne in der Selbstständigkeit ist ja eben Peak Neoliberalismus.

Manu: Die Freiheit durch Individualismus. Genau.

Rachel: Und dass am Ende auch diese Romantisierung ist. Und das stimmt auf der einen Seite, dass es natürlich freier macht, wenn du nur Entscheidungen für dich treffen musst. Aber weiter kommen wir als Gesellschaft oder wenn wir als Selbstständige irgendwo auch einen Druck aufbauen wollen, weil wir halt auch eine Berufsgruppe sind, die in der Politik gerne auch übersehen wird.

Manu: Ja, kann man schon sagen.

Rachel: Ja, also gerade irgendwie die Solo-Selbstständigen. Also während Corona, weil auch da wieder haben wir das ja ganz krass gesehen. 

Manu: Da wurden Unternehmen gerettet, aber keine Solo-Selbstständigen.

Rachel: Keine Existenzen. Also denen wurde ein Gag gegeben und die jetzt daran zerbrechen, diese Gelder zurückzuzahlen. Oder auch an der Realität von so vielen einzelnen Selbstständigen vorbei. Also wo es irgendwie klar war, ja gut, du kriegst nichts, weil du zu Hause an deinem Küchentisch arbeitest oder im Homeoffice und nicht ein Büro mietest oder ein Auto liest, sondern halt irgendwie alles so dieses, also an dieser Realität vorbei. Und Ich glaube, es wäre sehr schön, wenn wir dahin kommen könnten, wieder mehr, also als Selbstständige mehr in Kollektiven zu arbeiten. Also gar nicht unbedingt in diesem, dass wir gemeinsam dann auch Aufträge annehmen müssen oder so, aber Verantwortungen oder Situationen auch gemeinsam zu meistern. Und das da eben, wenn man schon so ein starkes Netzwerk hat, total cool, aber so dieses sich gemeinsam informieren, was sind Möglichkeiten und nicht immer dieses alleine an einem Thema hingraben und sich auch zu organisieren. Also ich glaube, das wäre was, wenn ich nicht gerade in einem, eben auch wie du in so 1 Aufbaufase wärst, die unglaublich viel Energie und Ressourcen frisst, würde ich mich eigentlich gerne noch viel mehr in dem Bereich engagieren.

Manu: Absolut, ich auch. Aber ich glaube, da sind wir eigentlich 1 ganz großen Sache auf der Spur. Und das steht hier in meinen Notizen. Freiheit in der Selbstständigkeit ist gleich Geld. Das ist nämlich das Einzige, was in der Selbstständigkeit heutzutage Freiheit verschafft, das Geld.

Rachel: Das ist halt Brennglas, ne? Es ist eigentlich auf die Gesellschaft anzuwenden, aber in der Selbstständigkeit merkt man das am schnellsten.

Manu: Ja. Und das ist eben auch, glaube ich, das ist auch so ein bisschen das Problem von so 1 individuellen, individualisierten Freiheit und dieser Romantik dahinter, weil das ja auch nur Weil das ja auch nur in einem System der Ungleichheit funktioniert. Dass das Individuum sich Freiheit verschafft. Ganz individuell. Und wirkliche Freiheit, die würde nur darüber funktionieren, dass man ein Mindestmaß an Gleichheit auch hat. Also, weißt du, Stichwort, eine Gute Grundsicherung beispielsweise. Ja, aber genau das ist es. Also wenn du willst, dass es wieder mehr Unternehmer in einem Land gibt, jetzt mal, ich drück’s mal trockener und nicht so philosophisch aus, Wenn du mehr willst, dass es mehr Unternehmer gibt, die die Wirtschaft ankurbeln, weil sie risikofreudiger sind, dann musst du ihnen ein Mindestmaß an Grundsicherung geben, dass sie sich darauf verlassen können, dass sie ein bisschen weicher fallen.

Manu: Ja. So. Und wenn du eine Kreativwirtschaft ankurbeln willst oder beziehungsweise auch, dass Leute die konsumieren, dann musst du auch da einfach investieren. Das ist leider so. Und das, was wir gerade erleben, ist ja genau das Gegenteil davon. Und das wirkt sich auch auf die Selbstständigkeit aus, weil ganz ehrlich, klar spiele ich da in der Diskussion als Selbstständiger auch wieder keine Rolle mit der ganzen Bürgergelddebatte, aber tatsächlich ist das auch etwas, was die Selbstständigen betrifft. Das hat Maurice Höfgen neulich auch wieder ganz gut in seinem Format Geld für die Welt gesagt. Die Selbstständigen sind genauso davon betroffen von dieser ganzen Bürgergeld-Debatte.

Rachel: Ja, weil die halt da drin landen.

Manu: Genau, die landen nur darin, weil sie keine andere Absicherung haben.

Rachel: Und beziehungsweise bevor sie darin landen, ist es jetzt das Problem oder die Tatsache, dass sie halt Rücklagen oder Altersvorsorge erst aufbrauchen müssen. Und ich mir denke so, okay, das heißt, ich muss jetzt meine Altersvorsorge aufbrauchen, bevor ich statische Leistungen beziehe, dann im Alter auf jeden Fall wieder in der Armut zu landen.

Manu: Jetzt dann auch erstmal in einem Drecksjob zu landen. Weil du musst ja den ersten annehmen, den du bekommst.

Rachel: Genau. Und das ist halt, und das ist, also ich finde, ich finde es halt so verheerend, weil eine Selbstständigkeit in diesem mangelnden Arbeitsmarkt, in dem wir sind, für ganz, ganz viele Leute eigentlich überhaupt erst die Möglichkeit ist, vielleicht überhaupt zu arbeiten. Wenn man jetzt an Gruppen, an Personengruppen denkt, wie Mütter, Alleinerziehende, chronisch Kranke, Menschen, die auf dem neurodivergenten Spektrum sind, wo die Arbeitswelt einfach nicht für dich gemacht ist. Wo die einfach sagen können, okay ich brauche halt einen gewissen flexiblen Rahmen und wenn es die Arbeitszeiten sind oder dass ich sagen kann, in der einen Zeit kann ich mal weniger Stunden machen, dann kann ich mal mehr Stunden machen. Es gibt ganz, ganz viele Personengruppen, ist die Selbstständigkeit eigentlich die leichter oder besser organisierbare Arbeit. Und denen wird es dann so schwer gemacht, da irgendwie Fuß zu fassen oder da rein zu gehen. Wenn sie halt auch immer direkt irgendwie vermittelt werden sollen. Statt so dieses Unternehmerische da irgendwie einen Fuß in die Tür zu bekommen in der Selbstständigkeit nebenberuflich oder neben Bezügen oder sowas. Das finde ich halt auch so krass.

Manu: Ja, ja, absolut. Das ist ein Zeichen unserer Zeit. Definitiv. Ich hoffe, ich bin auch nicht zu negativ heute. Obwohl, weißt du was? Ich merke auch, dass ich, also ich merke auch jetzt, während wir darüber reden, dass ich extrem frustriert bin.

Rachel: Ist vollkommen gerechtfertigt.

Manu: Ich finde, Ich bin richtig frustriert von Selbstständigkeit, von meiner Selbstständigkeit und generell von der Arbeitswelt. Schwieriges Thema. Die Kiste machen wir nicht auf.

Rachel: Die Kiste machen wir heute nicht auf. Die Kiste zuzumachen. Ja. Weil es tut mir sehr leid, meine Damen und Herren, unser Gast muss leider weiter. Er muss den nächsten Flug zurück in die USA bekommen. Das hatte gerade so richtig Wetten, dass? Vibes.

Manu: Schnell bevor er anfängt zu schreien.

Rachel: Wir wetten das!

Manu: Ich glaube, mein Mikrofon hat auch gerade übersteuert.

Rachel: Scheiße. Nee, alles gut. Ich bin mir sehr sicher, dass wir da nochmal und immer wieder darüber reden werden. Am Ende des Tages ist das irgendwo auch das Thema dieses oder der Grund, warum es diesen Podcast gibt.

Manu: Ja, definitiv. 

Rachel: Das ist einfach so ein bisschen ein Blick auf unsere aktuelle Einstellung diesbezüglich. Ja. Wir sind ein bisschen wütend, ein bisschen frustriert, Wir sind müde.

Manu: Oh ja.

Rachel: Und trotzdem, bei mir zumindest, hängt dann doch noch so ein bisschen… Wenn ich es mir aussuchen könnte und komplett frei wäre, wäre ich schon auch jemand, der einfach weiterhin immer selbstständig arbeitet. Und am bequemsten ist das natürlich, wenn man dann sagen kann, bei bestimmten Situationen, hier gehe ich weg, das ist nicht gut für mich. Aber das ist dann auch wieder einfach generell die Thematik. Das muss man sich leisten können.

Manu: Genau. Genau so ist es.

Rachel: Manu. Bringst du mir was Schönes mit aus Würzburg?

Manu: Ich guck mal.

Rachel: Irgendwas Cooles.

Manu: Okay. Ich halte die Augen offen.

Rachel: Und vielleicht denke ich auch nächste Woche beim Podcast… 

Manu: Ein Stück Pizza.

Rachel: Ein Stück Pizza, ja. Aus der Manteltasche. Mh, yum yum. Vielleicht denke ich nächste Woche dran, dann zu erzählen, was es war.

Manu: Wie, was es war?

Rachel: Beim Podcast, was du mir mitgebracht hast.

Manu: Achso, ja. 

Rachel: Wir sind jetzt alle vollhooked und wollen wissen, was bringt man da mit aus Würzburg. 

Manu: Na gut, Dann bis nächste Woche.

Rachel: Bis nächste Woche. Tschüssi. Tschüss.

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